Wohnhaus für Pferde?
Am vergangenen Wochenende habe ich mir mit einer Freundin ein Projekt einer Architektin angesehen. Sie hat die Türen ihres Stalls für die Öffentlichkeit geöffnet. Aufmerksam waren wir über einen Artikel in der Zeitung geworden, in der damit geworben wurde, dass sie eine „Wohnung“ für Pferde entworfen habe. Neugierig fuhren wir also dort hin.
Vorab kann man sagen, dass dieses „Wohnungskonzept“ sehr stark an das Konzept des Aktivstalls angelehnt ist. Im Stall angekommen wurden wir sehr freundlich empfangen und von den Bauzeichnerinnen herum geführt, die das alte Stallgebäude ausgemessen und später Entwürfe für die Umgestaltung entworfen haben. Das Stallgebäude ist großzügig umzäunt, sodass sich quasi ein großer Paddock um den Stall zieht. Im größten Raum des Stalls befindet sich das „Wohnzimmer“ der Pferde, indem sie sich aufhalten können und durch zwei große Tore immer auch nach draußen auf den Paddock gehen können. Es gibt noch eine weitere „Tür“ nach draußen, die mit Lamellen abgedeckt ist. Ist es stürmisch, werden die großen Tore des Stalls geschlossen, dennoch können die Pferde aber nach draußen, indem sie durch die Lamellentür gehen. In einer Ecke des „Wohnzimmers“ wurden Gummimatten auf den Boden gelegt und mit Stroh bedeckt. Dies ist das „Schlafzimmer“ der Pferde. In der Regel wird das große Tor, welches näher am „Schlafzimmer“ ist, auch über Nacht offen gelassen. Wie mir berichtet wurde, hatte man zu Beginn nachts immer das Tor geöffnet, das entfernter vom Schlafplatz liegt, musste dann aber feststellen, dass die Pferde nicht auf den Gummimatten schliefen, sondern in der Nähe des offenen Tors. So kam man zu dem Schluss, dass es für die Pferde von oberster Priorität ist, immer einen Fluchtweg zu haben. Wir Menschen haben es beim Schlafen gerne gemütlich und geschützt, allerdings darf man dies nicht auf Pferde übertragen. Was hier sehr logisch klingt, leuchtete mir jedoch auch erst dann ein. Pferde sind Fluchttiere und beachtet man dies, ist es natürlich sehr wichtig, Pferden eine Fluchtmöglichkeit zu bieten. Als ein weiterer Raum schließt sich das „WC“ an das „Wohnzimmer“ an. In diesem Raum sollen die Pferde hauptsächlich ihre Notdurft verrichten. Allerdings kann man Pferde wohl kaum gänzlich „stubenrein“ erziehen. Wie bei der Führung zu sehen war, hielten sich die Pferde auch nicht daran, immer „auf's Klo zu gehen“. Um zum Futter zu gelangen, müssen die Pferde über den Paddock in den hinteren Teil des Stalls gehen. Auch das Wasser steht an einer anderen Stelle zur Verfügung.
Dass sich die Pferde bewegen müssen, um zu Wasser und Futter zu kommen entspricht der Idee des Aktivstalls, was ich auch absolut nachvollziehen kann. Jedoch ist die Einteilung des Stallgebäudes in Wohnungsräume meiner Meinung nach zu menschlich gedacht. Wie schon an dem Beispiel mit dem Schlafplatz deutlich wurde, haben Pferde andere Bedürfnisse als wir Menschen. Zudem sollte man sich die Frage stellen, ob es notwendig ist, Pferde dazu zu erziehen, „auf Toilette zu gehen“ – sofern das überhaupt möglich ist –. Natürlich ist es wichtig, dass Pferde einen geeigneten Schlafplatz haben, wo sie sich entspannt hinlegen können, dass sie eine Stelle haben, wo sie in Ruhe fressen können. Dennoch teilen sie ihre Welt nicht in Zimmer ein, wie wir Menschen das tun. Pferde sind keine Menschen und das sollten wir bedenken, wenn wir für sie sorgen. Dennoch ist die „Wohnung“ für Pferde sehr Pferdefreundlich, großzügig und hell gebaut und erfüllt den Pferden in vollstem Maße ihre Bedürfnisse.